Eine Kaffeerösterei…in Würzburg, oder?
Dass wir unsere Kaffeerösterei in Würzburg gründen würden, war für die Meisten, denen wir von unserem Vorhaben erzählten, irgendwie eine Selbstverständlichkeit. Nicht umsonst war es dann im Titel genannte Fragestellung, mit der wir konfrontiert wurden. Unsere Antwort. Kaffeerösterei: ja. Würzburg: nein. Natürlich erscheint Würzburg erstmal als ein vorrangig zu betrachtender Standort für eine Rösterei, schließlich ist das Einzugsgebiet groß und die Laufkundschaft potentiell groß. Unsere Gedanken zur Standortfrage möchten wir Euch gerne darlegen, vielleicht dienen Sie dem ein oder anderen auch als Hilfestellung bei der Unternehmensgründung.
Der Standort
Wir haben uns für die Kaffeerösterei in Würzburg etliche Immobilienangebote angesehen. Vor allem Interessehalber, aber ehrlich gesagt, mit ernüchterndem Ergebnis. Die “große Stadt” war für uns gefühlt nie wirklich eine Option gewesen, aber zu Vergleichszwecken musste Würzburg natürlich herhalten. Was wir gefunden haben, waren entweder unbezahlbare 1b-Lagen, bezahlbare Läden in ungünstiger Lage, schöne aber unbezahlbare Läden, ungeeignete da vollständig renovierungsbedürftige Läden…damit hat Würzburg sich aber gar nicht mal so sehr von den anderen beiden Optionen unterschieden: Randersacker und Kitzingen. War Randersacker immer unser erster Gedanke, hat sich Kitzingen langsam aber heimlich hinten angeschlichen. Gerade mit dem sehr professionellen Leerstandsmanagement kann Kitzingen vielen ähnlichen Städten im Landkreis Würzburg als Beispiel gelten. Wir wurden immer aktiv informiert, unsere Fragen wurden immer zeitnah beantwortet und es gab immer einen Ansprechpartner. Großartig. Letztlich waren es dann in Kitzingen wie auch in Würzburg immer zwei Probleme: zu teuer bzgl. Miete oder ganz häufig zu teuer hinsichtlich der anstehenden Renovierungskosten. So wurde es – dank eines freundschaftlichen Tipps zur rechten Zeit – dann eben doch Randersacker.
Uns hat das hervorragend gepasst: es war ohnehin unser vom Gefühl her bevorzugter Standort. Trotz aller kleiner und großer kommunaler Probleme tut sich was, das Dorf ist in Bewegung, es gibt vorhandene und es entsteht hochwertige Gastronomie, der Tourismus hat eine große Bedeutung, wir können auf ein kleines, aber feines Netzwerk an Bekannten, Freunden und Unternehmern zugreifen und zudem gibt es noch eine aktive Facebook-Gemeinde.
Das Konzept
Mit drei kleinen Kindern ein Unternehmen zu gründen, ist ein wagemutiges Unterfangen. In jeglicher Hinsicht. Daher war es uns auch von Anfang an klar, dass wir den Betrieb als Nebengewerbe fürhren werden – zumindest für den Start. Uns so musste zu dieser Entscheidung auch das Konzept für die Kaffeerösterei passen:
- Wir werden als Familienbetrieb wahrgenommen. Denn ja, wir machen das zu Zweit, Dank der tatkräftigen Hilfe unserer Familien, die immer wenn es eng wird, auf unsere Mädels aufpassen. Wir sind die Röstfreunde – und dieses “Wir” drückt sich auch durch unsere beiden Töchter im Logo aus. Leider konnte die Kleinste zu dem Zeitpunkt noch nicht laufen. Es wird also irgendwann mal ein Neues geben (müssen).
- Wir werden als lokaler Betrieb wahrgenommen und hoffen damit auf ein Stück Lokalpatriotismus bei unseren potentiellen Kunden.
- Produktqualität unterscheidet uns vom etablierten Supermarktkaffee. Diese Qualität beginnt im Einkauf, setzt sich in Produktion und Verpackung fort und endet in der Beratung und Betreuung unserer Kunden.
- Wir sind “die etwas andere Kaffeerösterei”: klein, urig, gemütlich, offen, ehrlich – und gut.
- Bei uns ist wenig Platz, davon aber viel und jeder ist Willkommen, der Interesse am Kaffee hat. Für ein Schwätzchen ist immer Zeit – über Kaffee oder auch über anderes.
- Man kann, darf und soll uns über die Schulter schauen: die Rösterei und die Abläufe stehen jedem Interessierten offen, wir wollen mit Transparenz zeigen, dass ein Mehrpreis gerechtfertigt ist.
- Unseren günstigsten Kaffee, in dem trotzdem hochwertige Parzellenkaffees eingesetzt werden, wollten wir für knapp unter 20 EUR/kg anbieten und damit eine lokal hergestellte Alternative zum teuersten Supermarktkaffee bieten. Wir haben es geschafft.
- Als Preisobergrenze sehen wir für unser Kundensegment 30 EUR/kg an – mit wenigen Ausnahmen. Diese Obergrenze ist aber auch eher gefühlt als immer betriebswirtschaftlich begründbar. Einige Kaffees könnten wir teurer anbieten – verzichten aber bewusst darauf. Effiziente Prozesse helfen uns dabei, Kosten niedrig zu halten.
- Wir rösten nicht schwarz, denn das Aroma des Kaffees soll genutzt werden und erhalten bleiben. Wir wollen einige helle(re) Röstungen im Sortiment haben, um die Fruchtnoten der Kaffeekirsche in den Vordergrund zu stellen.
- Um auch überregional interessant zu sein, bieten wir günstige Versandkosten an. Es liegt eine Mischkalkulation an, so dass wir im Mittel weder an den Versandkosten verdienen noch daraufzahlen. Wollen wir hoffen, dass es aufgeht.
- In regelmäßigen Kaffeeseminaren wollen wir unser Wissen weitergeben.
Der Martinshof
Den ersten Kontakt hatten wir zur Weinernte. Unser künftigen Vermieter haben gerade eimerweiße Weintrauben in den Keller getragen. Der Innenhof, die Stuckdecke, die Durchgänge – es war großartig und hat auf den ersten Blick gepasst. Etwas ungläubig waren zwar die Blicke von Familie Brock – eine Kaffeerösterei…in Randersacker? Ja, hier war es mal andersrum, was die Frage anging, aber die beiden waren von unserem Konzept sofort angetan.
Die Lage im Altort ist nicht ganz ideal, weil nicht an der Hauptdurchgangsstraße, aber da können wir ja nunmal nicht alle liegen. Aber: das Anwesen liegt direkt am Kirchplatz (reicht den Meisten als Richtungsangabe), die Maingasse ist die Hauptverbindung zwischen neuem Zentrum an der Badewanne und dem Flecken, es gibt Parkmöglichkeiten auf dem Tanzplan und was uns ganz wirchtig war: wir sind nicht alleine. mit Blumenladen und Vinothek sind wir keine Einzelkämpfer sondern schaffen gemeinsam ein Hofkonzept, das sich gegenseitig bereichert.
Für die meiste Diskussion sorgte zu Beginn sicherlich die Raumaufteilung. Es war zwar renoviert und somit bezugsfertig, aber doch alles so klein! Letztlich war aber der Glaube, auf dieser begrenzten Fläche mit den krummen Wänden und der wunderschönen Stuckdecke etwas Besonderes schaffen zu können, ausschlaggebend. Zwar ist der Zugang etwas schwierig und auch leider nicht rollstuhl- und nur halbwegs kinderwagengeeignet, aber wir haben uns in die Räume verliebt – mancher auch erst auf den zweiten Blick.
Unser Fazit
Es muss nicht immer die große Stadt sein. Die ersten Monate haben uns gezeigt, dass es nicht notwendig ist, die Kaffeerösterei in Würzburg anzusiedeln – ein passendes Konzept kann auch in einem kleineren Ort funktionieren. Wir freuen uns, dass es das bei uns tut, was ohne unsere Kunden nicht möglich wäre. Mit Regionalität im Fokus und einem gesundes Maß Lokalpatriotismus im Nacken kann man – wenn das Produkt überzeugt – einen treuen Kundenstamm aufbauen. Wir freuen uns, einen solchen mittlerweile gefunden zu haben – Dankeschön Euch allen, die Ihr an uns geglaubt und uns einen Vertrauensvorschuss gegeben habt. Wir arbeiten weiter daran, Euch mit leckeren Kaffees zu verwöhnen.